Er wurde landesweit berühmt: «Das isch de Fuessballer Moldovan gsi» (2024)

Viorel Moldovan wurde hierzulande wegen eines Betrugsversuchs im TV-Quiz «Risiko» bekannt. Vor allem aber war er bei GC und Xamax ein herausragender Stürmer. Vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Schweiz sagt er, woran Rumäniens Fussball krankt.

Nicola Berger

5 min

Neue Vorlese-Stimmen

Eine verbesserte Vorlesefunktion steht zur Verfügung. Probieren Sie es aus!

Er wurde landesweit berühmt: «Das isch de Fuessballer Moldovan gsi» (1)

Wenn in der Schweiz der Name Viorel Moldovan fällt, denkt man sofort an Gabriela Amgarten, an «Risiko» und den Betrugsversuch von TommasoR. Anfang 1998. Der damalige Student R. erwiderte in der TV-Quizshow auf die Frage , wer zum «Kopf des Jahres 1997» gewählt worden sei, sechs Worte, die im Land zur popkulturellen Folklore gehören: «Das isch de Fuessballer Moldovan gsi.»

Zwei Komplizen hatten nach der nachmittäglichen Probe auf der Toilette die Antworten auf die Quizfragen platziert, doch R. verhedderte sich bei der Reihenfolge. Der Fussballer Moldovan wäre erst die übernächste Antwort gewesen. Statt 95000 Franken Preisgeld gab es für Tommaso R. eine Gefängnisstrafe von viereinhalb Monaten.

Die Schweiz erinnert sich generationenübergreifend fast kollektiv an diese bizarre Episode, 25 Jahre ist sie inzwischen alt. Sie stammt aus einer Epoche, in der man sich am Montagabend mangels Alternativen halt vor den Fernseher setzte und eines etwas altbackenen Rätselformats harrte.

Schweizer Folklore: Tommaso R. und seine ganz eigene Geschichte mit Viorel Moldovan.

Aber woran erinnert sich eigentlich Moldovan? Er sitzt zu Hause in Bukarest und freut sich, Reminiszenzen hervorzukramen. Moldovan, 50, sagt, er werde bis heute manchmal auf «Risiko» angesprochen, wenn er in der Schweiz Freunde besuche. Bald dürfte er regelmässig hier gastieren, seine Tochter arbeitet ab dem 1.August in der Nähe von Genf im Bereich Hoteldesign.

Der Turmbau zu Babel wurde 2004 in Genf bei Servette nachgestellt

Genf, das war seine letzte Station in der Schweiz, ein ziemlich verunglücktes Gastspiel im Servette FC im Sommer 2004. «Servette war damals wie der Turmbau zu Babel», sagt Moldovan. Der französische Spielervermittler Marc Roger hatte auf einen Schlag 23 neue Spieler verpflichtet, wenige Monate später machte der 17-fache Meister Konkurs. «Sehr schlecht» sei das Klubmanagement damals gewesen, sagt Moldovan, dessen Laune damals mit jeder Niederlage ärger in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nach einem 0:4 in Aarau im August musste er von Teamkollegen zurückgehalten werden, um nicht auf eigene Fans loszugehen.

Moldovan befand sich damals im Spätherbst einer beeindruckenden Karriere, die ihn auch nach England, Frankreich und in die Türkei geführt hatte. Sein Sprungbrett war ab Mitte der 1990er Jahre die Schweiz gewesen. Zuerst Xamax mit dem Coach Gilbert Gress, den er bis heute lobt: «Das war einer der besten Trainer, die ich je hatte. Man durfte den Ball einfach nicht unkontrolliert wegschlagen, das machte ihn fuchsteufelswild.»

Und danach die Grasshoppers, wo er wie bei Xamax Torschützenkönig wurde – oder «Torkönig», wie es die «Risiko»-Moderatorin Amgarten in dieser Frage formulierte, auf die die Antwort «Moldovan» passte. Heinz Spross, der damalige GC-Mäzen, schickte zum Dank für jeden Treffer eine Tafel Schokolade in Moldovans Domizil in Wiedikon. Und mahnte zur Nachsicht, wenn der Starstürmer manche Regeln als optional verstand. Einmal wagte er sich auf die Skipiste. Und erklärte das später mit der einleuchtenden Begründung, was man erwarte, bitte schön, in der Schweiz könne man an Weihnachten ja wohl nichts anderes tun.

Es sind Geschichten aus einer anderen Zeit, aber Moldovan ist dem Fussball treu geblieben. Heute arbeitet er als TV-Analyst für den rumänischen Sender Orange Sport, gerade hat er in dieser Rolle den Champions-League-Final in Istanbul besucht. Als Trainer wirkte er in Frankreich und der Heimat, bis 2016 war er zwei Jahre lang Assistenzcoach des Nationalteams.

Er wurde landesweit berühmt: «Das isch de Fuessballer Moldovan gsi» (2)

Wenn man mit ihm den Zustand des rumänischen Fussballs eruieren möchte, seufzt Moldovan erst einmal in den Hörer. Stars von internationalem Format wie einst der Regisseur Gheorghe Hagi, von den Medien als «Karpaten-Maradona» apostrophiert, sucht man vergeblich, es ist ein Zerfall, der ihn schmerzt.

Hagi war das Aushängeschild einer Art goldenen Generation gewesen, eines Teams, das 1994 in den USA zwar der Schweiz 1:4 unterlag, aber sich trotzdem für den WM-Viertelfinal qualifizierte. Im Achtelfinal in Pasadena wurde Argentinien vor 90000 Zuschauern niedergerungen, ein Team, bei dem Diego Armando Maradona wegen einer Drogensperre gerade unpässlich war. Der Glanz dieses Achtungserfolgs ist längst verblichen, Rumänien hat sich seit 1998 nie mehr für eine WM qualifiziert.

Moldovan sagt, den jungen Fussballern im Land mangle es nicht an Talent. Wohl aber an der Einstellung, an der mentalen Härte. «Die Spieler haben Mühe, sich in Westeuropa einzufügen und durchzusetzen. Uns fehlen die Spieler, die in den Top-5-Ligen engagiert sind und dort auch den Unterschied ausmachen können. So wie früher Hagi oder ich.»

Er wurde landesweit berühmt: «Das isch de Fuessballer Moldovan gsi» (3)

Dann wird er grundsätzlicher und berichtet von strukturellen Problemen, von Korruption, von fehlenden Auflagen und Kontrollen. «In unserem Fussball fehlt es an vielem, auch an Geld. Es gibt viel Verwirrung. Im Prinzip ist der Fussball ein Spiegelbild der rumänischen Gesellschaft», sagt Moldovan. Und fährt fort: «Marc Roger ist für den Konkurs von Servette doch ins Gefängnis gekommen, oder? Bei uns passiert nichts. Es gibt keine Transparenz, du kannst einfach irgendein Budget nennen. Und dann geht während der Saison irgendwann das Geld aus. Es ist einfacher, einen Verein in die Insolvenz zu schicken, als die Rechnungen zu bezahlen. Konsequenzen gibt es ja sowieso keine, es ist ein Theater, ein Festival.»

Der bizarre Streit um das Erbe des Armeeklubs Steaua Bukarest steht exemplarisch für die Probleme im rumänischen Fussball

Er weiss, wovon er spricht: Als er Rapid Bukarest vor zehn Jahren zurück in die höchste Liga führte, musste er den Klub wegen ausstehender Zahlungen vor Gericht zerren. Und wenn ihm der Ärger zu viel wurde, zog er sich zurück und streifte als Jäger durch die Wälder Transsilvaniens.

Doch eigentlich ist seine Fussballfaszination ungebrochen, er kann die Schweizer Aufstellung ungefragt fehlerfrei aufsagen. Es ist ihm das liebere Thema als die Sorgen des rumänischen Fussballs. Zu denen unter anderem gehört, dass zwei Klubs das stolze Erbe des einstigen Aushängeschilds Steaua Bukarest beanspruchen; der Armeeklub Steaua gewann 1986 als erster osteuropäischer Klub den Vorgängerwettbewerb der Champions League. Einerseits sieht sich der vom Rechtsextremen George Becali alimentierte Erstligist FCSB als Nachfolgeklub Steauas, anderseits gibt es einen vom Verteidigungsministerium kontrollierten Zweitligisten, der tatsächlich unter dem Namen Steaua spielt.

Wieder seufzt Moldovan in den Hörer, die Geschichte ermüde ihn, auch sie stehe exemplarisch für Rumänien – in Craiova sei es ähnlich. Tatsächlich gibt es zwei Erstligisten aus dieser Stadt, CS Universitatea Craoiva. Und den FC Universitatea Craoiva.

Moldovan sagt, grundsätzlich sei er zufrieden mit seinem TV-Job. Aber er überlege sich schon, wieder Trainer zu werden. «Wieso nicht in der Schweiz? Es ist noch nicht zu spät», sagt er. Gerade prüfe er auch eine Anfrage eines rumänischen Vereins, aber er wisse nicht recht, mit der Seriosität der Projekte sei es oft so eine Sache. «Wenn du jung bist, spielt es keine Rolle, dann überlegst du nicht viel und gehst einfach hin. Aber so funktioniere ich nicht mehr», sagt er, der als Spieler und Trainer bei 23 Mannschaften aktiv war.

Ein Weltenbummler? Ja, «au das isch de Fuessballer Moldovan gsi».

Passend zum Artikel

Wenn die Grasshoppers trotz Krise immer ein Teil des Lebens sind – Andy Egli, Ciriaco Sforza und Roman Kilchsperger erzählen GC leidet unter der eigenen Geschichte. Heute steckt der Klub im Abstiegskampf, er hat keinen Präsidenten, und es herrscht Unklarheit, wie es mit den chinesischen Besitzern weitergeht. Was sagen zwei frühere Helden und ein prominenter Fan dazu?

Stephan Ramming, Fabian Ruch 7 min

Kommentar Vladimir Petkovic und seine Mannschaft haben ihr Spiel und ihren Sieg für die Ewigkeit – und darin liegt der grosse Unterschied zu der letzten Generation Der Sieg gegen Frankreich gibt vor allem dem Schweizer Coach recht – für sein Vertrauen in Führungsspieler wie Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri und Haris Seferovic und in diese Mentalität, die oft angezweifelt worden ist.

Benjamin Steffen

Der Torhüter Yann Sommer steht nach dem halben Jahr bei den Bayern vor einer schwierigen Zukunft – auch im Nationalteam Yann Sommer hat turbulente Monate in Deutschland hinter sich. Die Zukunft des Schweizer Nationalgoalies ist offen. Mit Gregor Kobel dürfte in Andorra Sommers designierter Nachfolger im Tor stehen.

Stephan Ramming, Tenero 3 min

Er wurde landesweit berühmt: «Das isch de Fuessballer Moldovan gsi» (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Frankie Dare

Last Updated:

Views: 6194

Rating: 4.2 / 5 (53 voted)

Reviews: 92% of readers found this page helpful

Author information

Name: Frankie Dare

Birthday: 2000-01-27

Address: Suite 313 45115 Caridad Freeway, Port Barabaraville, MS 66713

Phone: +3769542039359

Job: Sales Manager

Hobby: Baton twirling, Stand-up comedy, Leather crafting, Rugby, tabletop games, Jigsaw puzzles, Air sports

Introduction: My name is Frankie Dare, I am a funny, beautiful, proud, fair, pleasant, cheerful, enthusiastic person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.